Heinz Frank 1939–2020
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Ein äußerst individueller Lebens-Künstler lebt hier nicht mehr. Er war – für mich und etliche andere sicher auch – ein ganz wichtiger „Außenseiter“ unserer Szene. Er war eine verblüffend „wienerische und dialekthaft randständige“ Wiedergeburt oder Vergegenwärtigung der altgriechischen und neuwienerischen Philosophen – Kyniker, Peripatetiker oder Sophisten – sein Metier – ob im Gasthaus, beim Flanieren durch Stadt und Land, im Umfeld von Vorträgen und Vernissagen – war das sokratisch insistierende Bereden, In-Frage-Stellen aller sogenannten kreativen „Äußerungen“, Behauptungen und Vorstellungen.
Wie Diogenes (und später Nietzsches Alter Ego) ging er am helllichten Tag mit der Laterne seines speziellen Seh- und Sprachvermögens durch die Stadt "auf der Suche nach einem Menschen“ – indem er mit poetisch-vulgär-philosophischem SprachWITZ allen nur auftretenden Behauptungen, Gewissheiten und „gestalterischen Anmassungen" irritierend heimleuchtete.
Mit ihm einmal etwa vom Universitätsring her über Heldenplatz, Burghöfe und Michaelerplatz am späten Vormittag in Richtung Demel zu schlendern, – wo er mich zu einem 2. Frühstück einlud – war ein unvergessliches Lehrstück, wie er völlig spontan alles Leben und alles Gebaute im Raum dieser Wegstrecke ebenso witzig wie potentiell tiefgründig und schalkhaft-kritisch kommentierte, – in seiner Vorstellungswelt aus der Schwere des Faktischen in die verblüffende Leichtigkeit der Gedankenspiele, der Bewusstseinsrealitäten holen konnte.
Ein schönes Filmdokument über seine Person, sein Wesen gibt es im Internet, gestaltet von den jungen Hareiters* im Auftrag von O & O Baukunst 2013 im Zusammenhang mit seiner Ausstellung damals bei O & O Depot in Berlin. Darin kommen einige merkWÜRDIGE Sätze vor, die sein Anliegen unvergesslich in Sprache fassen.
Es ging ihm bei all seine Sachen u.a. um
„Augen, die das Nichts sehen“
oder:
"Die Leere als Gesicht“
oder:
„Eigentlich wohnt man in sich drinnen“
seine Thema war immer wieder:
"Das Loch – die Mitte, wo man aber nicht hinsieht...“
So war er in seiner stets bis zum Unterhemd handgemacht durchgestalteten, lebhaften und authentischen Einmaligkeit eigentlich ein Wiedergänger all der heiter, mit extrem leichten Gepäck durch die leibliche Existenz reisenden Geistesmenschen, – auf der Suche nach der Freiheit von allen ideologieschwangeren und materiell so verhafteten, pathosschwangeren Lebens-, Bau- und Kunstkonzepten...
Natürlich hatte all das auch ein gerütteltes Maß an Koketterie, an Eulenspiegelhaftigkeit, wenn er inmitten seiner hochprofessionell ausgeführten Objekte – materielle Ableger, Spiegelungen, Unzukömmlichkeiten, Echo-Gestalten seines Denkens und Empfindens – sich von all dem umgehend wieder leichtfüssigst distanzierte und all das nur zu papierdünnen Tapete, zur gerade noch duldbaren Austapezierung oder Sichtbarmachung seiner seelischen und existenziellen „Wohnräume“ deklarierte.
Ich habe es versäumt, mich mit ihm öfters und länger und tiefgreifender einzulassen, es gibt Berufenere, die ihm weit näher waren – soweit man ihm, einem enormen Luft-Geist – überhaupt nahe kommen konnte.
Aber in dieser fast buddhistisch-heiteren Relativierung aller Äußerlichkeiten – mit der Perspektive zum letztlich Ungreifbaren, der NICHTSHEIT von Existenz, aus der eben erst eine allumfassende Akzeptanz und wirklich human-kosmische Wertschätzung vom Sein, vom wunderbaren Werden und Vergehen kommen kann – in dem hat er mir auf seine Art originäre, weiter nachwirkende Anstöße, mitgegeben.
Vielen Dank! Adieu!
Otto Kapfinger
---
A most individual practitioner of the art of life lives here no more. To me—and certainly to quite a few others, as well—he was a hugely important “outsider” of our scene. He was a bafflingly “Viennese and household rooted” reincarnation or contemporary manifestation of the ancient Greek and latter-day Viennese philosophers … Cynics, Peripatetics, Sophists; and his métier—whether out for a meal and drinks, strolling through town and country, or at lectures and exhibition openings—was Socratically insistent discussion and questioning of all so-called artistic statements, claims, and ideas.
As a Diogenes of sorts (metamorphosing later on into Nietzsche’s alter ego), he strolled through town in broad daylight “in search of a person” with the lantern of his special visual and verbal abilities, irritatingly giving a piece of his mind—packaged in poetic, vulgar, and philosophical linguistic WIT—in response to any assertions, any certainties, and any instances of “creative hubris” that cropped up.
One late-morning stroll with him, for instance, where we started from Universitätsring and crossed through Heldenplatz and the Hofburg’s courtyards, continuing on via Michaelerplatz to Café Demel (where he treated me to a second breakfast), provided an unforgettably instructive demonstration of his spontaneous commentary on all life and edifices along this route—commentary that was just as witty as it could also be deep-reaching and roguishly critical—and of how his mind could extract said life and edifices from the realm of the factually weighty to have them float within the baffling lightness of intellectual games and realities of consciousness.
A nice filmic document regarding his person, his general character, can be found on the Internet: it was produced in 2013 by the young Hareiters* in connection with his exhibition at O & O Depot in Berlin that same year. In it are a few noteWORTHY sentences that unforgettably put what he was about into words.
In all that he did, he was concerned about things like
“eyes that see nothing”
and:
“emptiness as a face”
and:
“one actually lives inside oneself”
and as a recurring theme:
“the hole – that center into which one cannot see…”
Thus, in his lively and authentic uniqueness, always in specific hand-made dress right down to his undershirt, he was in truth a revenant of all those cheerful intellectuals who sailed through their physical existences with extremely light baggage, in search of freedom from all those ideologically weighty, materiality-bound, and pathos-laden conceptions of life, buildings, and art…
And all this was, of course, possessed of a goodly measure of coquetry and sly humor, when in the midst of his most professionally executed objects—material offshoots, reflections, physical echoes of his thinking and feeling—he would promptly and most light-footedly distance himself from them, declaring it all to be extremely thin wallpaper, a barely tolerable wallpapering or illustration of his emotional and existential “abodes”.
I missed out on being involved with him frequently, at length, or more profoundly—others were more destined for this than I, being far closer to him, insofar as one actually could get closer to this enormously airy spirit. But in his almost Buddhistically cheerful relativization of all superficialities—with that perspective on the ultimately ineffable, the NOTHINGNESS of existence, that is precisely whence an all-encompassing acceptance and truly human and cosmic valuing of being, of wonderful becoming and passing away, can come in the first place… in this, he did indeed gift me in his very own way with original impulses that continue to have their effects.
Many thanks! Adieu!
Otto Kapfinger
Otto Kapfinger ia an architecture theoretician and publicist. He lives and works in Vienna.
Translated by Christopher Roth
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*https://www.youtube.com/watch?v=1Fd8LEu8fYM
August 2020
Wie Diogenes (und später Nietzsches Alter Ego) ging er am helllichten Tag mit der Laterne seines speziellen Seh- und Sprachvermögens durch die Stadt "auf der Suche nach einem Menschen“ – indem er mit poetisch-vulgär-philosophischem SprachWITZ allen nur auftretenden Behauptungen, Gewissheiten und „gestalterischen Anmassungen" irritierend heimleuchtete.
Mit ihm einmal etwa vom Universitätsring her über Heldenplatz, Burghöfe und Michaelerplatz am späten Vormittag in Richtung Demel zu schlendern, – wo er mich zu einem 2. Frühstück einlud – war ein unvergessliches Lehrstück, wie er völlig spontan alles Leben und alles Gebaute im Raum dieser Wegstrecke ebenso witzig wie potentiell tiefgründig und schalkhaft-kritisch kommentierte, – in seiner Vorstellungswelt aus der Schwere des Faktischen in die verblüffende Leichtigkeit der Gedankenspiele, der Bewusstseinsrealitäten holen konnte.
Ein schönes Filmdokument über seine Person, sein Wesen gibt es im Internet, gestaltet von den jungen Hareiters* im Auftrag von O & O Baukunst 2013 im Zusammenhang mit seiner Ausstellung damals bei O & O Depot in Berlin. Darin kommen einige merkWÜRDIGE Sätze vor, die sein Anliegen unvergesslich in Sprache fassen.
Es ging ihm bei all seine Sachen u.a. um
„Augen, die das Nichts sehen“
oder:
"Die Leere als Gesicht“
oder:
„Eigentlich wohnt man in sich drinnen“
seine Thema war immer wieder:
"Das Loch – die Mitte, wo man aber nicht hinsieht...“
So war er in seiner stets bis zum Unterhemd handgemacht durchgestalteten, lebhaften und authentischen Einmaligkeit eigentlich ein Wiedergänger all der heiter, mit extrem leichten Gepäck durch die leibliche Existenz reisenden Geistesmenschen, – auf der Suche nach der Freiheit von allen ideologieschwangeren und materiell so verhafteten, pathosschwangeren Lebens-, Bau- und Kunstkonzepten...
Natürlich hatte all das auch ein gerütteltes Maß an Koketterie, an Eulenspiegelhaftigkeit, wenn er inmitten seiner hochprofessionell ausgeführten Objekte – materielle Ableger, Spiegelungen, Unzukömmlichkeiten, Echo-Gestalten seines Denkens und Empfindens – sich von all dem umgehend wieder leichtfüssigst distanzierte und all das nur zu papierdünnen Tapete, zur gerade noch duldbaren Austapezierung oder Sichtbarmachung seiner seelischen und existenziellen „Wohnräume“ deklarierte.
Ich habe es versäumt, mich mit ihm öfters und länger und tiefgreifender einzulassen, es gibt Berufenere, die ihm weit näher waren – soweit man ihm, einem enormen Luft-Geist – überhaupt nahe kommen konnte.
Aber in dieser fast buddhistisch-heiteren Relativierung aller Äußerlichkeiten – mit der Perspektive zum letztlich Ungreifbaren, der NICHTSHEIT von Existenz, aus der eben erst eine allumfassende Akzeptanz und wirklich human-kosmische Wertschätzung vom Sein, vom wunderbaren Werden und Vergehen kommen kann – in dem hat er mir auf seine Art originäre, weiter nachwirkende Anstöße, mitgegeben.
Vielen Dank! Adieu!
Otto Kapfinger
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A most individual practitioner of the art of life lives here no more. To me—and certainly to quite a few others, as well—he was a hugely important “outsider” of our scene. He was a bafflingly “Viennese and household rooted” reincarnation or contemporary manifestation of the ancient Greek and latter-day Viennese philosophers … Cynics, Peripatetics, Sophists; and his métier—whether out for a meal and drinks, strolling through town and country, or at lectures and exhibition openings—was Socratically insistent discussion and questioning of all so-called artistic statements, claims, and ideas.
As a Diogenes of sorts (metamorphosing later on into Nietzsche’s alter ego), he strolled through town in broad daylight “in search of a person” with the lantern of his special visual and verbal abilities, irritatingly giving a piece of his mind—packaged in poetic, vulgar, and philosophical linguistic WIT—in response to any assertions, any certainties, and any instances of “creative hubris” that cropped up.
One late-morning stroll with him, for instance, where we started from Universitätsring and crossed through Heldenplatz and the Hofburg’s courtyards, continuing on via Michaelerplatz to Café Demel (where he treated me to a second breakfast), provided an unforgettably instructive demonstration of his spontaneous commentary on all life and edifices along this route—commentary that was just as witty as it could also be deep-reaching and roguishly critical—and of how his mind could extract said life and edifices from the realm of the factually weighty to have them float within the baffling lightness of intellectual games and realities of consciousness.
A nice filmic document regarding his person, his general character, can be found on the Internet: it was produced in 2013 by the young Hareiters* in connection with his exhibition at O & O Depot in Berlin that same year. In it are a few noteWORTHY sentences that unforgettably put what he was about into words.
In all that he did, he was concerned about things like
“eyes that see nothing”
and:
“emptiness as a face”
and:
“one actually lives inside oneself”
and as a recurring theme:
“the hole – that center into which one cannot see…”
Thus, in his lively and authentic uniqueness, always in specific hand-made dress right down to his undershirt, he was in truth a revenant of all those cheerful intellectuals who sailed through their physical existences with extremely light baggage, in search of freedom from all those ideologically weighty, materiality-bound, and pathos-laden conceptions of life, buildings, and art…
And all this was, of course, possessed of a goodly measure of coquetry and sly humor, when in the midst of his most professionally executed objects—material offshoots, reflections, physical echoes of his thinking and feeling—he would promptly and most light-footedly distance himself from them, declaring it all to be extremely thin wallpaper, a barely tolerable wallpapering or illustration of his emotional and existential “abodes”.
I missed out on being involved with him frequently, at length, or more profoundly—others were more destined for this than I, being far closer to him, insofar as one actually could get closer to this enormously airy spirit. But in his almost Buddhistically cheerful relativization of all superficialities—with that perspective on the ultimately ineffable, the NOTHINGNESS of existence, that is precisely whence an all-encompassing acceptance and truly human and cosmic valuing of being, of wonderful becoming and passing away, can come in the first place… in this, he did indeed gift me in his very own way with original impulses that continue to have their effects.
Many thanks! Adieu!
Otto Kapfinger
Otto Kapfinger ia an architecture theoretician and publicist. He lives and works in Vienna.
Translated by Christopher Roth
---
*https://www.youtube.com/watch?v=1Fd8LEu8fYM
August 2020